Am Freitag, dem 01. Mai 1891, wurde der „Turnverein 1891 Weitersburg e.V." in der Gastwirtschaft „Schäfer" gegründet. 42 Männer waren zu dieser 1. Versammlung anwesend, von denen sich 40 als Mitglieder in das Mitgliedsbuch eintragen ließen. Sie mussten das 16. Lebensjahr vollendet haben und ein Einschreibegeld in Höhe von 1,00 Mark entrichten. Die Versammlung wählte Peter Schiffer zum 1. Vorsitzenden. Josef Wolf wurde Turnwart, Theodor Winninger Kassierer und Wilhelm Hahn Schriftwart.
Jeden Monat fand eine Versammlung statt. Die Anwesenheit der Mitglieder war Pflicht. Im Saalbau Schäfer nahm man den Turnbetrieb auf, auch wenn weder Reck noch Barren zur Verfügung standen. Das Vereinsleben wurde 1892 mit dem ersten Ball bereichert. Der Gewinn nach Abzug der Auslagen betrug 1,00 Mark. Weitere wichtige Stationen in den Anfangsjahren waren die Gründung eines Spielmannszuges 1893, der Erwerb der Vereinsfahne 1894 sowie die erste Teilnahme an einem Bezirksturnfest 1895.
Die Überlieferung besagt, dass man sich „tapfer" geschlagen habe. 1907 wurde vom TVW selbst das Bezirksturnfest mit vielen Gastvereinen ausgerichtet. Mit dem Anwachsen des Vereins auf 70 Mitglieder und seiner Aktivitäten wurde deutlich, dass ein regelmäßiger Turnbetrieb sowie festliche Veranstaltungen am besten in einer vereinseigenen Halle durchzuführen sind. Bereits 1912 wurde das Grundstück dafür am jetzigen Standort erworben. Der Bau der gewünschten Halle verzögerte sich jedoch, nicht zuletzt durch die Wirren des 1. Weltkrieges.
12 Mitglieder des Vereins kehrten aus diesem Krieg nicht mehr zurück. Trotz der traurigen Ereignisse wurde 1919 der Turnbetrieb wieder aufgenommen und entwickelte sich in den Folgejahren positiv. Auch in den Zeiten wirtschaftlicher Rezession und atemberaubender Inflation überlebte das Vereinsleben, bis 1924 mit der Einführung der Reichsmark wieder Ordnung einkehrte und Pläne neu aufgegriffen werden konnten. Das betraf natürlich auch die vereinseigene Halle.
1925 war es dann soweit: Auf der Festung Ehrenbreitstein stand eine amerikanische Holz-Montage-Halle, die ohne rechte Verwendung war.
Der Turnverein Weitersburg griff zu und erstellte sie auf dem erworbenen Grundstück an ihrem jetzigen Platz. Während dieser Zeit nahmen auch die Damen mit einer ersten Riege zum ersten Mal aktiv am Turnbetrieb teil. Der Verein erlebte in der eigenen Halle eine Phase des Wachsens und Gedeihens und wurde wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens in Weitersburg. Der nächste große negative Einschnitt kam 1933 mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten.
Die Partei dirigierte immer tiefer und härter in das Vereinsleben hinein und der Sport wurde in den Dienst einer Ideologie gestellt, bzw. dieser untergeordnet. Der Deutsche Turnerbund wurde 1935 aufgelöst. Aus dem Turnergruß „Gut Heil" wurde „Gut Heil Hitler". Die Turn- und Sportvereine wurden zusammengelegt, die Partei bestimmte Entwicklung und Richtung. Die Idee der Turnerbewegung wurde völlig entfremdet. Am 28. Juli 1939 erfolgte die Liquidation des Turnvereins Weitersburg e.V.
Wieder kam ein schrecklicher Krieg in dem 16 Turnkameraden ihr Leben lassen mussten. Die Wunden und Zerstörungen waren so außergewöhnlich, dass an eine kurzfristige Fortsetzung des Vereinslebens nicht zu denken war. Weitere Erschwernisse kamen durch die Einschränkungen der französischen Besatzungsmacht hinzu.Doch auch dieses Mal siegte der Überlebenswillen der Menschen und auch der turnerische Gedanke stand wieder auf. Am 02.09.1950 wurde der Deutsche Turnerbund erneut gegründet.
An alter Stätte, in der Gastwirtschaft Schäfer, trafen sich am 03. Mai 1951 die Turner, um den Verein wieder zu beleben.
Man stand vor dem Nichts. Die Geräte waren verschwunden oder zerstört, die eigene Halle unbrauchbar. Innerhalb kürzester Zeit kam es zu einem geordneten Übungsbetrieb und die ersten Wettkämpfe wurden erfolgreich bestritten. Auch den Spielmannszug gab es wieder, leider nicht auf Dauer. Vereinsveranstaltungen und Feste bereicherten das dörfliche Leben in Weitersburg. Mit Feuereifer und in vielen Stunden freiwilliger Leistung wurde die eigene Halle so gut es ging hergerichtet.
1954 wurden diese Mühen belohnt und der Männergesangverein „Rheinland" konnte das Kreissängerfest dort ausrichten. Die Vereine kooperierten sinnvoll zum Wohle beider Seiten. Bis 1961 gingen die Sanierungsarbeiten an der Halle weiter. Mit dem 70-jährigen Stiftungsfest am 24. und 25. Juni 1961 erfolgte dann die feierliche Einweihung. Es war ein wichtiger Schritt für die weitere Vereinsentwicklung. Diese verlief in den Folgejahren stetig und erfolgreich.
Sie wurde mitgeprägt, und das zum Teil bis heute, von Mitgliedern wie: Walter Portugall, Leo Becker, Josef Zisgen, Dr. Josef Nick, Hans Bach, Heinz-Gerd Wolf und Heinz Josef Wolf, Käthi Becher, Maria Schwantuschke und Ika Burghardt. Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Die Zahl der Vereinsmitglieder nahm in den Folgejahren stetig zu und das sportliche Angebot wurde ständig erweitert. Nicht vergessen werden dürfen in dieser Darstellung auch die Erfolge bei den unterschiedlichsten Wettkämpfen.
Ein weiterer Meilenstein in der Vereinsgeschichte bildete die 90-Jahrfeier im Mai 1981. Der vorläufig größte Höhepunkt des Turnvereins Weitersburg konnte dann mit dem 100-jährigen Stiftungsfest 1991 feierlich begangen werden. Eine Woche lang stellte sich der Verein dar und ganz Weitersburg nahm Anteil daran und feierte mit.Die folgenden 10 Jahre verliefen eher in einem etwas ruhigerem Fahrwasser. Es wurde und wird zunehmend schwieriger, immer wieder genügend ehrenamtliche Mitarbeiter für die umfangreiche Vereinsarbeit zu finden.
Dabei wird minder Kinder- und Jugendarbeit ein großer Beitrag für eine sinnvolle Integration der Heranwachsenden in unsere Gesellschaft geleistet. Hierbei muss der Verein flexibel bleiben und auf Wünsche von innen und außen reagieren. Er hat dies getan, als er bei entsprechender Nachfrage eine Übungsgruppe Boxen einrichtete oder mit „T'ai Chi Ch'uan" eine fernöstliche Praxis von Gesundheitsübungen anbietet, die in ihrer Wirkungsweise Körper und Geist als zu stärkendes Ganzes zum Ziel hat.
Mit großem Bedauern muss auch festgestellt werden, dass der ureigene Vereinszweck, das Turnen, zunehmend an Zuspruch verliert. Dabei soll diese schöne und ästhetische Sportart, die den ganzen Menschen bildet, weiterhin zentrale Aufgabe des Vereins bleiben. Es wäre sehr bedauerlich, wenn Tendenzen und Zeitgeist eine über 100-jährige Entwicklung in Frage stellt oder diese nicht mehr fortgeführt wird. Es bedarf der Kreativität und der positiven Einstellung Aller diesen Trend umzukehren, damit die Idee „Turnen" im Turnverein Weitersburg auch zukünftig ihren angestammten Platz behält.
Bericht von Manfred Pfeifer
Zur Zeit haben wir 679 Mitglieder, davon sind 289 Minderjährige, 62% sind weibliche Mitglieder. (Stand: July 2022)